Das Haus oder die Wohnung liegen in Schutt und Asche, sämtliches Hab und Gut ist vernichtet, wenn die Familie Glück hat, funktioniert das Auto noch …aber meistens auch das nicht. Ganz zu schweigen von den Verletzungen, Verlusten und Trauerfällen in den Familien: nichts ist mehr, wie es vorher war!

Jan Jessen

Das sind eindringliche Worte von unserem Gast Jan Jessen (Redakteur und Berichterstatter, NRZ – Funke-Gruppe), die er zu jedem Ort der Welt berichten kann, an dem ein Krieg ausgebrochen ist. Ukraine ist uns nah, aber ob im Irak oder in Syrien, ob im Jemen oder in Mali: die Zivilisten – Menschen wie Du und ich – sind immer betroffen.

In unserer internen Veranstaltung (15.06.) berichtete uns Jan Jessen aus seiner langjährigen Praxis der Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten, die bis auf die 2000Jahre zurückgehen. Immer hat er Leid, Schmerz und Elend gesehen und den Zahlen und Fakten ein menschliches Gesicht gegeben. Aber auch von vielen Freundschaften und der Offenheit/Herzlichkeit der Menschen konnte er ausführlich und erfreut berichten.

Ein prägnantes Beispiel über Resilienz Fähigkeit berichtet von einer jungen Frau, die im Irak von IS-Kämpfern während der langjährigen Gefangenschaft wiederholt Folter und sexuellem Missbrauch ausgesetzt war. Nach der Befreiung wollte sie keine psychologische Unterstützung in Anspruch nehmen, einen Schulbesuch lehnte sie ab, da sie sich nicht konzentrieren könne. Auf die Frage, wie man ihr helfen könne, wünschte sie sich nichts mehr als einen kleinen Laden zu eröffnen, in dem sie Kleidung verkaufen könne. Mit der Caritas-Flüchtlingshilfe e.V. wurde ihr ein „Starter-Kit“ zur Verfügung gestellt und sie konnte ein kleines Geschäft eröffnen. Ein halbes Jahr später besuchte Jan Jessen diese Frau und war doch sehr beeindruckt von ihrem glücklich-zufriedenen Gesichtsausdruck, aus dem auch etwas Stolz abzulesen war, dass sie jetzt mit ihrer Schwester zusammen ein selbst bestimmtes Leben führen und ihren Lebensunterhalt bestreiten kann.

Viele Geschichten, aber auch Zahlen und Fakten konnte uns Jan Jessen berichten, nach gut 40 Minuten stellte sich uns in der offenen Diskussionsrunde die Frage, was wir als Flüchtlingsrat Düsseldorf – und auch andere Vereine – als Schwerpunkt unserer Arbeit aus seinen Berichten ableiten können.

Wenn man bedenkt, dass die Migrationsbewegung weltweit zunehmen wird (Krieg, Bürgerkrieg, Ressourcenknappheit, Hungersnöte, Klimakatastrophen und -wandel) muss es in erster Linie darum gehen, heimatnahe Hilfe vor Ort zu organisieren (Schulen, Krankenstationen, Strom- u. Wasserversorgung …), die Fluchtgründe müssen minimiert werden: Dämme schützen vor Hochwasser und Landverlust, Entsalzungsanlagen schützen vor dem Verdursten, Anbau von Getreide etc. schützt vor Hunger.

Jan Jessen

Natürlich beinhaltet die Arbeit der Flüchtlingshilfe immer auch die Betreuung, Beratung und Unterstützung der Geflüchteten in den jeweiligen Landkreisen, Städten und Kommunen: Teilhabe ermöglichen, Rechte durchsetzen, Integration in Bildung und Arbeit ermöglichen, Sprachrohr für die Geflüchteten gegenüber Politik und Behörden sein!

Ein weiterer wesentlicher Punkt unserer Arbeit muss aber auch die wiederholte Ansprache und Inanspruchnahme der Wahlkreisabgeordneten sein, um diese immer wieder auf die Situationen in den Herkunftsländern aufmerksam zu machen und dafür zu werben – nein, darum zu kämpfen – dass sich die Politik um heimatnahe Hilfen einsetzt.

Kriegerische Auseinandersetzungen (Territorialkriege, Ressourcenkriege, Bürgerkriege…) aber auch Unwetterkatastrophen, Landversteppung, Wassermangel, Klimaveränderungen sind berechtigte Fluchtursachen! Das sind die Herausforderungen, vor denen die westliche Welt steht: änderst sich nichts an den Umständen, werden sich die Menschen auf den Weg machen und nach besseren Lebensbedingungen suchen.

Jan Jessen

Vielen Dank an Jan Jessen, der uns einen vertieften Einblick in seine Arbeit geboten und uns gute Anregungen für die weitere Arbeit im Flüchtlingsrat Düsseldorf gegeben hat.

16.06.2022/JCl